Matera ist ein Ort, der Besucher durch seine ungewöhnliche Schönheit und faszinierende Geschichte in den Bann zieht. Als eine der ältesten durchgehend bewohnten Städte der Welt verkörpert Matera ein kulturelles Erbe, das bis in die Jungsteinzeit zurückreicht. Die Stadt liegt auf einem felsigen Plateau in der Region Basilikata im Süden Italiens und ist besonders bekannt für ihre Sassi – alte Höhlensiedlungen, die in den Tuffstein gegraben wurden. Diese einmaligen Strukturen zeugen von jahrtausendelanger menschlicher Kreativität und Überlebenskunst. Matera ist ein Ort, der scheinbar außerhalb der Zeit existiert und dennoch voller Leben und Dynamik steckt. Wer durch die engen Gassen und über die steinernen Treppen der Altstadt wandert, spürt sofort die Magie dieses außergewöhnlichen Ortes.
Die Sassi von Matera – Ein Weltwunder menschlicher Baukunst
Die berühmten Sassi von Matera, die mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, bestehen aus zwei Hauptbezirken: dem Sasso Caveoso und dem Sasso Barisano. Beide Viertel sind vollständig in den Felsen gehauen und bieten ein labyrinthisches Netzwerk aus Gängen, Treppen, Plätzen und Höhlenwohnungen. Einige dieser Wohnhöhlen sind noch heute bewohnt, viele wurden restauriert und zu Hotels, Museen oder Restaurants umfunktioniert. Die Sassi verkörpern eine einzigartige Symbiose von Mensch und Natur. Über Jahrhunderte hinweg lebten hier Menschen in einem geschlossenen ökologischen System, bei dem Regenwasser gesammelt, Abfälle wiederverwendet und die natürliche Kühle der Felsen für die Klimatisierung genutzt wurde. Diese nachhaltige Lebensweise ist heute aktueller denn je und inspiriert Architekten weltweit.
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Die spirituelle Dimension Materas – Kirchen im Fels
Ein weiteres faszinierendes Element von Matera sind die zahlreichen Felsenkirchen, die tief in den Stein geschlagen wurden. Viele dieser Kirchen stammen aus der byzantinischen Zeit und enthalten erstaunlich gut erhaltene Fresken, Ikonen und religiöse Symbole. Einige dieser sakralen Räume wurden in ehemalige Wohnhöhlen integriert, andere sind kunstvoll verzierte unterirdische Bauwerke mit Kapellen, Altären und biblischen Szenen. Besonders bekannt ist die Kirche Santa Maria de Idris, die sich eindrucksvoll auf einem Felssporn erhebt und einen atemberaubenden Blick über die Schlucht bietet. Die spirituelle Atmosphäre dieser Kirchen verleiht Matera eine mystische Tiefe, die weit über das Sichtbare hinausgeht. Hier begegnen sich Religion, Geschichte und Kunst auf eine Weise, die berührt und inspiriert.
Matera als Zentrum der europäischen Kultur
Im Jahr 2019 wurde Matera zur Kulturhauptstadt Europas ernannt – ein Meilenstein, der die jahrzehntelangen Bemühungen der Stadt um kulturelle Wiederbelebung würdigte. In Vorbereitung auf dieses Ereignis entstanden zahlreiche Projekte, die den kulturellen Reichtum Materas sichtbar machten: Kunstausstellungen, internationale Festivals, Konzerte, Theateraufführungen und Bildungsprogramme wurden organisiert. Die Stadt verwandelte sich in ein offenes Labor für kreative Ideen. Künstler aus aller Welt ließen sich von Materas einzigartiger Ästhetik inspirieren. Die Kulturhauptstadt-Initiative gab der Region nicht nur neue wirtschaftliche Impulse, sondern förderte auch den Dialog zwischen Tradition und Innovation. Matera wurde dadurch zu einem europäischen Symbol für Transformation durch Kultur.
Filmreife Kulisse – Matera im Kino
Matera diente in den letzten Jahrzehnten als Kulisse für zahlreiche internationale Filme. Die Höhlenstadt war unter anderem Drehort für Mel Gibsons „Die Passion Christi“, Abel Ferraras „Mary“ oder den James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“. Die archaische Architektur, die steinernen Gassen und die atemberaubenden Lichtverhältnisse machen Matera zu einer idealen Filmkulisse, die Authentizität und Dramatik vereint. Besonders auffällig ist, dass die Stadt oft als doppelte Projektionsfläche dient: Einerseits repräsentiert sie das alte Jerusalem oder andere biblische Städte, andererseits wird sie auch für futuristische Visionen verwendet. Diese Wandelbarkeit zeigt die enorme Ausdruckskraft Materas und verstärkt ihren Status als globales Kultursymbol.

Lokale Küche – Genuss aus der Tiefe der Tradition
Die Gastronomie Materas ist tief verwurzelt in den bäuerlichen Traditionen der Basilikata. Einfachheit, Qualität und Regionalität sind die Grundpfeiler der lokalen Küche. Besonders berühmt ist das Brot von Matera, das aus Hartweizengrieß hergestellt wird und durch seinen kräftigen Geschmack und seine lange Haltbarkeit überzeugt. Auch Pastaformen wie Orecchiette oder Cavatelli sind fester Bestandteil der Esskultur. Linsen, Bohnen, wilder Spargel, Paprika und Kräuter spielen ebenso eine große Rolle wie Lammfleisch, Ziegenkäse oder getrocknete Tomaten. In den letzten Jahren haben sich in Matera zahlreiche Restaurants etabliert, die traditionelle Rezepte modern interpretieren, ohne die Wurzeln zu verlieren. Wer in Matera isst, schmeckt die Landschaft, die Jahreszeiten und die Geschichte.
Nachhaltigkeit und Innovation in einer alten Stadt
Matera zeigt eindrucksvoll, dass auch ein jahrtausendealter Ort zukunftsorientiert handeln kann. Die Wiederbelebung der Sassi ist ein Beispiel für gelungene Stadterneuerung im Sinne der Nachhaltigkeit. Viele Gebäude wurden mit natürlichen Materialien restauriert, innovative Energiesysteme integriert und soziale Projekte umgesetzt, die sowohl Einheimische als auch Besucher einbeziehen. Initiativen wie das „Open Design School“-Projekt, das im Zuge der Kulturhauptstadt entstand, fördern die partizipative Stadtentwicklung. Die Kombination aus traditionellem Wissen und moderner Technologie macht Matera zu einem Modell für andere Städte, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Die Balance zwischen Bewahrung und Erneuerung ist hier nicht nur möglich, sondern erfolgreich umgesetzt.
Feste, Bräuche und lebendige Traditionen
Matera ist nicht nur steinern, sondern auch lebendig. Die Stadt feiert das Leben mit einer Vielzahl an Festen und Ritualen, von denen viele auf jahrhundertealten Traditionen beruhen. Besonders beeindruckend ist die Festa della Bruna am 2. Juli, bei der ein monumentaler Papiermaché-Wagen durch die Straßen gezogen und am Ende spektakulär zerstört wird – ein symbolischer Akt von Zerstörung und Wiedergeburt. Das ganze Jahr über finden religiöse Prozessionen, Musikveranstaltungen, Märkte und Folklorefeste statt, die Besucher mitreißen. Diese gelebte Kultur stärkt die Identität der Stadt und zeigt, dass Matera mehr ist als ein Museum – es ist ein Ort voller Energie, Klang und Farbe.
Natur und Umgebung – Die Landschaft rund um Matera
Die Umgebung Materas ist von einer rauen, aber wunderschönen Landschaft geprägt. Die sogenannte Murgia, ein Hochplateau mit kargen Felsen, tiefen Schluchten und wilder Vegetation, umgibt die Stadt und bietet zahlreiche Möglichkeiten für Wanderungen, Fotografie und Naturbeobachtung. In der Umgebung findet man auch weitere Felsensiedlungen, verlassene Klöster und Höhlenkirchen. Der Parco della Murgia Materana ist ein Naturschutzgebiet, das sich ideal für Tagesausflüge eignet. Hier verschmelzen Natur und Geschichte auf faszinierende Weise. Wer abseits der Touristenpfade unterwegs ist, entdeckt eine stille, kraftvolle Welt, die ebenso tief beeindruckt wie die Stadt selbst.
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Matera als Inspirationsquelle
Matera hat sich längst über Italien hinaus als Quelle der Inspiration etabliert. Architekten, Künstler, Wissenschaftler und Reisende aus aller Welt suchen hier Antworten auf die Fragen unserer Zeit: Wie können wir im Einklang mit der Natur leben? Wie bewahren wir kulturelles Erbe, ohne es zu konservieren? Wie verwandeln wir scheinbare Schwächen – wie Armut oder Isolation – in Stärken wie Authentizität und Eigenständigkeit? Matera gibt keine fertigen Antworten, aber sie bietet Räume, Gedanken und Bilder, die uns einladen, selbst neue Wege zu denken. Wer Matera mit offenem Herzen begegnet, wird nicht nur eine Stadt sehen, sondern eine Erfahrung machen, die bleibt.
Schlussgedanken – Matera als Spiegel der Menschheit
Matera ist weit mehr als ein Reiseziel. Die Stadt ist ein Spiegel menschlicher Geschichte, ein Zeugnis des Überlebenswillens, ein Ort der Kontinuität in einer Welt voller Brüche. Ihre steinernen Häuser erzählen Geschichten von Armut und Reichtum, von Vergessen und Wiederentdeckung, von Glauben und Zweifel. In ihren Gassen spürt man den Atem der Jahrtausende, und doch pulsiert hier das Leben. Matera zeigt, dass das Alte nicht vergangen ist, sondern lebt – im Stein, im Licht, im Menschen. Wer sich auf Matera einlässt, erkennt vielleicht etwas von sich selbst in den Schatten und Sonnenflecken dieser einzigartigen Stadt.